Von der Testfactory zum QS-Coaching
Die Transformation von Testprozessen innerhalb eines IT-Systemhauses bietet einen tiefen Einblick in den Wandel von Kontrollinstanz zu Coach. Vor...
6 Min. Lesezeit
Richard Seidl
15.04.2025
Die Einführung agiler Testkonzepte in einer klassisch strukturierten Bundesbehörde zeigt, wie selbst komplexe Organisationen neue Wege beschreiten können. Angestoßen durch akuten Handlungsbedarf entstand ein modulares Test- und Qualitätssicherungsbaukastensystem, das praxisorientiertes Wissen bedarfsgerecht aufbereitet – von Grundlagenartikeln über Videos bis hin zu konkreten Übungen. Eine Community of Practice unterstützt den Austausch zwischen den Projektbeteiligten und fördert den Wissenstransfer innerhalb der Organisation. Statt starrer Dokumentation treten anwendungsnahe Lösungen, die zur Mitarbeit motivieren und unterschiedliche Lerntypen berücksichtigen. So entsteht Schritt für Schritt ein Wandel, der nicht auf Systemarchitektur, sondern auf geteiltem Verständnis und echter Zusammenarbeit gründet.
In dieser Episode spreche ich mit Simone und Oliver vom Bundesverwaltungsamt über ein Thema, das sich trocken anhört, aber ordentlich Pfeffer hat: Testkonzepte. Wer jetzt an sinnfreie Textwüsten denkt, liegt falsch. Die beiden zeigen, wie man selbst in einem Behördenumfeld mit über 100 Fachverfahren und strengem Rahmen zu agilen, leichten Ansätzen findet. Ihr QS-Baukasten ist mehr Infopoint als Vorschriftenkatalog – modular, praxisnah und verständlich. Wissen teilen, Silos abbauen und echte Veränderung anschieben. Und das Ganze nun auch als Open Source.
"Wir haben uns irgendwann geweigert, schwergewichtige Konzepte zu schreiben, die in der Schublade landen." – Simone Mester, Oliver Kortendick
Dr. Oliver Kortendick studiert Ethnologie und Soziologie in Göttingen, Amsterdam und Köln. Promotion und anschließende mehrjährige Forschung über quantitative, computerunterstützte Inhaltsanalyse. Research Fellow beim Centre für Social Anthropology and Computing in Canterbury, Kent. Seit 25 Jahren als Softwareentwickler, Projektmanager und Test- und QS-Verantwortlicher in Großprojekten unterwegs. Seit 2015 beim Bundesverwaltungsamt in Köln Strategieberater „Softwaretest und -qualitätssicherung“.
Simone Mester blickt auf langjährige Erfahrung als Softwareentwicklerin im Versicherungsumfeld zurück, in den letzten Jahren zog es sie jedoch auf die Seite „Test und QS“. Seit 2015 ist sie im öffentlichen Bereich tätig. Besonderes Interesse: Leichtgewichtige Prozesse um Teambildung und Gruppenkohärenz im agilen Vorgehen zu unterstützen. Co-Gründerin der Community of Practice "Forum für Test und Qualitätssicherung" im BVA, Co-Moderatorin der CoP "Test und QS" des Next-Netzwerkes des Bundes.
In vielen Unternehmen sind Testkonzepte noch mit starren Regeln, dicken Dokumentationen und langen Freigabeprozessen verbunden. Doch heute, wo sich Anforderungen ständig ändern, passen solche Ansätze oft nicht mehr. Was es braucht sind leichte, verständliche und modulare Testkonzepte, die Teams nicht ausbremsen, sondern unterstützen.
Was sind leichtgewichtige Testkonzepte?
Leichtgewichtige Testkonzepte zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich auf das Wesentliche konzentrieren. Ihr Fokus liegt vor allem auf pragmatischen Lösungen, die schnell und einfach umgesetzt werden können, statt auf umfangreicher Dokumentation. Agile Methoden helfen dabei, schnell auf wechselnde Anforderungen zu reagieren und die Zusammenarbeit im Team zu verbessern. Wissen wird dabei nicht in Silos gehortet, sondern aktiv geteilt - etwa durch eine Community of Practice, in der sich Teams austauschen, voneinander lernen und gemeinsam wachsen.
Ein wichtiger Aspekt in leichtgewichtigen Testkonzepten ist auch die Nachvollziehbarkeit (Traceability). Sie sollte früh mitgedacht werden - denn nachträgliches Aufräumen kostet viel Zeit und Nerven.
Auf einen Blick: Warum sind agile Methoden so wichtig für den Testprozess?
Die Herausforderungen traditioneller Testmethoden:
Traditionelle Testkonzepte zeichnen sich vor allen durch starre Prozessen und lange Dokumentationszyklen aus. Oft werden in diesen Prozessen wichtige Informationen nicht effektiv kommuniziert oder genutzt. Um die Teststrategien auf eine dynamische Entwicklungsumgebung zu optimieren braucht es ein Verständnis für die Stellen an denen es "hakt" - also dort, wo bestehende Prozesse zu schwerfällig, unübersichtlich oder wenig hilfreich sind. Erst wenn diese Punkte sichtbar gemacht werden, kann gezielt verbessert und vereinfacht werden.
Besonders der öffentliche Sektor steht vor Herausforderungen wie bürokratische Strukturen und starren Prozessen, die es oft schwer machen, anpassungsfähig und effizient zu arbeiten. Traditionelle Methoden wie das V-Modell stoßen hier an ihre Grenzen, weil sie sich in agilen Umgebungen als unpraktisch erwiesen haben. In der Realität ändern sich Anforderungen oft schnell, was dazu führt, dass festgelegte Modelle nicht mithalten können.
Eine agile Transformation im Unternehmen kann eine gute Alternative sein, um flexibler zu arbeiten und schneller auf Veränderungen reagieren zu können. Durch iterative Prozesse wird der Testprozess nicht nur effizienter, sondern auch transparenter. Der Fokus auf die Zusammenarbeit im Team sorgt in der agilen Arbeitsweise dafür, dass alle Beteiligten ein gemeinsames Verständnis entwickeln und Verantwortung für die Qualität des Endprodukts übernehmen.
Die Implementierung leichtgewichtiger Testkonzepte im öffentlichen Sektor kann dabei helfen, schneller und effektiver auf Veränderungen zu reagieren. Statt umfangreicher Handbücher stehen pragmatische Lösungen im Vordergrund, wie zum Beispiel eine Minimum-Viable-Teststrategie.
Um agile Methoden erfolgreich in der Verwaltung umzusetzen, gibt es den [QS-Baukasten] (https://bva.usercontent.opencode.de/softwaretest/qs-baukasten/index.html). Er ermöglicht Behörden, agile Prinzipien zu integrieren. Mit seiner modularen Struktur bietet der Baukasten viele Vorteile:
Durch die Flexibilität des modularen Ansatzes können Nutzer gezielt auf die Informationen zugreifen, die ihren Anforderungen entsprechen. Im Gegensatz zu traditionellen Testhandbüchern, die häufig hunderte von Seiten umfassen und in der Praxis kaum genutzt werden, ist der Baukasten eine benutzerfreundliche Alternative.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitenden. Communities of Practice fördern den Austausch von Wissen und ermöglichen den Mitarbeitenden, ihre Erfahrungen und Best Practices miteinander zu teilen. Durch regelmäßige Treffen können unterschiedliche Perspektiven und Lösungsansätze diskutiert werden.
Der Erfahrungsaustausch zwischen verschiedenen Projekten und Abteilungen spielt eine entscheidende Rolle für das agile Arbeiten. So können Teams von den Erfolgen und Misserfolgen anderer profitieren und die kollektive Wissensbasis stärken.
Die Nachverfolgbarkeit (oder auch: Taracebility) spielt eine zentrale Rolle im Testprozess. Ein gut strukturierter QA-Kit hilft dabei, die Verbindung zwischen den Anforderungen und Tests transparent darzustellen, Lücken in der Testabdeckung zu identifizieren und die Kommunikation zwischen den Teams und Projekten zu verbessern. Die frühzeitige Berücksichtigung der Nachverfolgbarkeit reduziert den Aufwand massiv, wenn später Änderungen oder Anpassungen erforderlich sind.
Außerdem ist es wichtig, dass verschiedene Teststufen mitgedacht werden. Sie bieten Struktur für die Tests und helfen dabei, verschiedene Bereiche der Software zu prüfen.
Der OS-Baukasten bietet eine strukturierte Möglichkeit zur Selbstbewertung und Maturitätsmessung. Teams können verschiedene Module des Kits nutzen, um ihren aktuellen Stand zu evaluieren und Verbesserungen vorzunehmen. Durch Maturitätsmodelle kann der Fortschritt in verschiedenen Testbereichen gemessen werden.
Doch wie können Testprozesse damit verbessert werden?
Durch diese iterative Vorgehensweise wird nicht nur die Qualität der Tests erhöht, sondern auch das Teamgefühl gestärkt, da alle Mitglieder aktiv in den Verbesserungsprozess eingebunden sind.
Die Implementierung leichtgewichtiger Testkonzepte in großen Organisationen bringt einige Herausforderungen mit sich, die insbesondere durch bestehende Hierarchien und die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern entstehen können.
In großen Behörden oder Unternehmen sind oft mehrere Ebenen von Entscheidungsstrukturen vorhanden, die Prozesse verlangsamen können.
Der Wunsch nach einheitlichen Prozessen führt häufig zu starren Vorgaben, die agile Ansätze behindern.
Oft liegt das Test-Know-how bei externen Dienstleistern, was es schwierig macht, die internen Teams in den Lernprozess einzubeziehen.
Aufgrund dieser Aspekte kann Agilität eingeschränkt werden, was auch die Umsetzung von leichtgewichtigen Testkonzepte erschwert. Eine offene Kommunikation und flexible Herangehensweis eist deshalb umso wichtiger, um den Wandel möglich zu machen. In diesen Zusammenhang kann es sich lohnen auch noch einmal die Rolle des Testmanagers in agilen Projekten näher zu betrachten.
Der QS-Baukasten hat einige positive Veränderungen gebracht:
Diese Aspekte verdeutlichen, wie agile Methoden in Verbindung mit leichtgewichtigen Testkonzepten nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch die Zufriedenheit und das Engagement der Teams erhöhen können.
Leichtgewichtige Testkonzepte sind vereinfachte Ansätze zur Durchführung von Tests, die sich an modernen Softwareentwicklungsteams orientieren. Sie sind wichtig, weil sie Flexibilität und Anpassungsfähigkeit bieten, was in agilen Umgebungen entscheidend ist.
Agile Methoden fördern eine iterative und kollaborative Herangehensweise, die es Teams im öffentlichen Sektor ermöglicht, schneller auf Veränderungen zu reagieren und die Qualität der Software durch kontinuierliches Feedback zu erhöhen.
Traditionelle Testmethoden sind oft starr und bürokratisch, was zu Verzögerungen und unzureichender Anpassungsfähigkeit führt. Agile Ansätze hingegen ermöglichen eine schnellere Reaktion auf Anforderungen und fördern die Zusammenarbeit zwischen den Teammitgliedern.
Ein QS-Baukasten ist ein modularer Ansatz, der Teststrateigen, Testdesignverfahren und Nachverfolgbarkeit integriert. Er bietet eine benutzerfreundliche Struktur, die Teams hilft, Tests effizienter zu planen und durchzuführen.
Communities of Practice fördern den Wissensaustausch zwischen verschiedenen Projekten und Abteilungen. Sie unterstützen Teams dabei, Best Practices zu teilen und Erfahrungen auszutauschen, was zur erfolgreichen Umsetzung agiler Methoden beiträgt.
Ein QS-Baukasten ermöglicht Selbstbewertung und Maturitätsmessung von Teams. Durch konkrete Schritte zur kontinuierlichen Verbesserung können Organisationen ihre Testprozesse optimieren und die Qualität ihrer Software steigern.
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