Digitalisierung – Deal with it! 

 15. Februar 2021

Die Digitalisierung wird nicht kommen – sie ist schon längst da!

Und sie wird auch nicht mehr weggehen. Aussitzen und Kopf in den Sand stecken ist zwecklos. Auch Augen zuhalten macht das „Problem“ Digitalisierung nicht weg. Sie bleibt. Und das ist gut so. Und diese neue Ära ist gar nicht so neu, sondern hat schon vor vielen Jahren begonnen. Zu Beginn der immer noch allgegenwärtigen Corona-Krise sind viele Unternehmer und Selbständige mit der Frage auf mich zugekommen, was sie denn jetzt machen können, um digitaler zu sein – und möglichst per sofort das ganze Geschäft online abzuwickeln. Aber Digitalisierung ist kein Projekt, das durch den Einsatz eines Webshops erledigt ist. Es ist ein Prozess und eine Haltung, die das ganze Unternehmen auf allen Ebenen betrifft. Die Krise hat jetzt schlagartig gezeigt, was in dieser Richtung während der letzten Jahre alles versäumt wurde. Andererseits ist das gar nicht so schlecht, zwingt es uns doch jetzt dazu, darüber nachzudenken.

Digitalisierung – Deal with it!

Anhand meiner Einblicke in die Arbeitsweise von Unternehmen im Silicon Valley, in Shanghai und Shenzhen ist mir nach meiner Rückkehr aufgefallen, wie skeptisch wir hier in Deutschland und Europa neuen Technologien gegenüberstehen. Für mich als „Tekkie“ ist das schwer nachvollziehbar. Für mich als Coach hingegen durchaus: wir leben in Sicherheit und Wohlstand und verdanken dies zum großen Teil Traditionsbranchen (wie z.B. die Automobil- und Medizintechnikbranche), an die wir uns jetzt natürlich klammern, die wir am Leben erhalten wollen. Das ist ok, wie auch die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust durch Digitalisierung. Nur ist das keine Lösung. Denn die Digitalisierung wird nicht kommen… sie ist schon längst da. Deal with it! Die Frage darf nicht sein: Wird Technologie mein Business beeinflussen? Sondern: Wie kann ich diese Veränderung aktiv gestalten? Und diese Frage schwebt über meiner Arbeit mit Unternehmern und Selbständigen.

Copy & Paste?

Silicon Valley hat ein gut funktionierendes Ökosystem geschaffen, in dem Tech-Startups und -Konzerne skalieren und sich entwickeln können. Man kann schon staunend durch Shenzhen laufen, dem “Silicon Valley der Hardware”, wo der Straßenverkehr fast ausschließlich aus E-Autos besteht und die Stadtplanung in Echtzeit mit den Daten der Stadt versorgt wird. – Aber wie gelingt uns der Transfer nach Deutschland und Europa? Insbesondere der Dinge, die gut funktionieren, möglichst ohne die Schattenseiten wie z.B. die Fremd- bzw. Selbstausbeutung der Mitarbeiter oder die Komplettüberwachung samt Social Scoring. Einzelne Aspekte aus dem Kontext zu reißen und isoliert zu übernehmen funktioniert nicht, und wenn, dann zufällig: ein bisschen Scrum hier, ein Kicker da und am Ende der Woche noch Casual Friday. Da wird häufig vergessen, dass bei uns einiges anders ist: Unsere Rahmenbedingungen, Regeln, Werte, das Sozialsystem, die Kultur und unsere Geschichte –  es lässt sich nicht 1:1 applizieren. Schönwetteragilität führt dann geradewegs zu Frust bei den Mitarbeitern (“Ja, was haben die sich da oben denn wieder ausgedacht?”) und auf Führungsebene (“Können die da nicht einfach mal effizient agil arbeiten?”).

Digitalisierung mit Menschlichkeit

Um “unseren” Weg ins digitale Zeitalter weiterzugehen und nicht auf eine Dystropie zuzusteuern, müssen wir einen zuweilen aus der Mode gekommenen Wert zurück in den Mittelpunkt stellen: die Menschlichkeit. Es geht am Ende doch immer um den Mensch: ob Mitarbeiter oder Führungskraft, Software-Architekt, Entwickler, Azubi oder Senior, Lieferant, Anbieter oder Kunde. Der Mensch ist es, dem die ganze Technologie dienen soll und er ist die wichtigste Ressource in dieser Transformation. So braucht erfolgreiche Digitalisierung nicht nur technische, sondern insbesondere auch die persönliche Entwicklung der Beteiligten und Teams. Schluss mit der Schockstarre. Kleider ordnen, atmen und die Zukunft aktiv gestalten. Dann haben auch agile Werte und ein agiles Mindset Chancen, nicht nur Floskeln an der Foyerwand zu sein, sondern gelebte Praxis zu werden.

Es ist nicht alles agil, was glänzt

In einem Atemzug mit „wir wollen jetzt bitte digital sein“ kommt dann oft auch „…ach und bitte auch gleich agil… so richtig schön mit Scrum oder Kanban und Dailies und so. Denn mit diesen Methoden werden wir ja schneller, effizienter und kostengünstiger“. – Hm. Mit einem solchen Herangehen tippe ich mal darauf, dass auch das Projekt „Agilität“ scheitern wird. Agile Methoden sind natürlich ein guter Anfang, aber viel wichtiger ist die Entwicklung der Werte und des Mindsets. Welches Selbstverständnis soll hinter den Methoden stehen?. Es braucht Klarheit: warum wollen wir denn jetzt eigentlich agil sein? Warum machen wir nicht weiter wie bisher?

Ein Modell – ungenau, aber nützlich

Die Frage beschäftigte mich schon in meinen ersten agilen Projekten Anfang der 2000er Jahre: Warum? Warum alle Prozesse umwerfen, Verantwortlichkeiten ändern, Hierachien auflösen, neue Tools hier und fancy Methoden da? Nur weil es grade hip ist und alle es machen? Ja, man kann natürlich argumentieren mit schneller, höher, weiter, flexibler… aber für mich hat sich über die Jahre ein ganz anderer Grund herausgeschält: Agil zu arbeiten – zu denken – hilft uns damit umzugehen, zu wissen, dass wir nichts wissen – sprich mit der Ungewissheit. Und wie ist die entstanden? Hier hilft ein ungenaues, aber nützliches Modell: Irgendwann – als es auch mit dieser Digitalisierung begonnen hat – wurde aus kompliziert komplex. Das war eine Zeitenwende, ist aber schon vorbei. Kompliziert war einmal. Jetzt ist komplex.

Die “gute” alte Zeit

Früher war zwar bei Weitem nicht alles besser, aber manches einfacher. Zumindest zu verstehen. Projekte waren überschaubar. Selbst große Projekte konnten sich auf relativ stabile Rahmenbedingungen stützen. Ein MS Project-Plan hatte noch eine brauchbare Halbwertszeit. Die Verbindung zwischen Ursache und Wirkung war nachvollziehbar. Wenn an einem Punkt etwas geändert wurde, war abschätzbar wie sich das auswirkt auswirkt. Das war die große Zeit der Optimierer. Den Prozess immer effizienter machen. Wegschneiden, was weg kann. Die Stellschrauben fein justieren und aufeinander abstimmen, damit das ganze Projektgefüge läuft wie ein Uhrwerk. Das hat auch ganz gut geklappt, zumindest bis die Kosten für weitere Optimierungen den Nutzen überstiegen. Aber das war nur ein Problem.

Ich weiß, dass ich nichts weiß und ich weiß nicht, was ich nicht weiß

Schieben wirs mal aufs Internet. Vielleicht nicht die erste Generation, auch nicht die zweite, aber irgendwann haben unsere Projekte angefangen, ein Eigenleben zu entwickeln. Schleichend, kaum erkennbar. Nur begleitet von dem unguten Gefühl, dass es unübersichtlich wird. Hier mal ein paar Systeme gekoppelt, da ein Datenaustausch, ein paar Schnittstellen dazu. Und heute stehen wir vor Applikationen und Systemlandschaften, deren Algorithmen durch Einzelne längst nicht mehr erklärbar sind (aber funktionieren). Komplexe Systeme, in denen der Zusammenhang von Ursache und Wirkung nicht mehr eindeutig ist. Und wer hier an einem Rädchen dreht, kann sich nicht sicher sein, wo oder worauf es sich auswirkt. Und das betrifft nicht nur Projekte – auch Unternehmen und unsere Gesellschaft haben sich dahin entwickelt. Aber damit nicht genug. Auch die Rahmenbedingungen sind nicht mehr so stabil: Schnelle Zyklen, schneller Markt, neue Kontexte, alles dynamisch, ein physischer Virus der – schnipp – mal die komplette Welt umkrempelt. Safe Habour hier, DSGVO da, Mitarbeiter und deren Bedürfnisse und auch Shareholder haben Bedürfnisse. Und das alles im Eiltempo. Da stehen wir nun also und haben drei Optionen:

  1. weiter Optimieren und am Gewohnten festhalten: das endet dann in Frust oder Burnout – und das Ziel ist nicht mehr zu erreichen.
  2. Aussitzen. Theoretisch möglich, wenn man einen langen Atem besitzt und darauf wettet, dass alles wieder so wird wie früher. Aber: das wird es nicht.
  3. Ungewissheit akzeptieren und selbst gestalten. Klingt antrengend, mühsam und unbefriedigend. Ist es auch. Aber es ist die einzige Chance.

Ok, Ungewissheit akzeptieren – Was ist denn daran so schwer? Meiner Erfahrung nach ist dabei die größte Hürde, die es zu überwinden gibt, die Angst keine Kontrolle zu haben. Nichts zu haben, womit man MS Project und irgendwelche Powerpoint-Berichts-Ampeln füllen könnte. Nicht alle Eventualitäten linear abdecken zu können. Sich nicht langfristig absichern zu können. Keinen Sündenbock haben, wenn etwas schief läuft. Und hier kommen die agilen Methoden ins Spiel: Denn diese sind dazu da, die Werte, Glaubenssätze, Visionen – kurz: – das Mindset bei uns zu etablieren, das wir zur Lösung brauchen: mehr Vertrauen, mehr Mut, mehr Selbstverantwortung.

Ihr agiler Start in die Digitalisierung

Ja, und wie macht man das nun? Wie werden Sie und Ihr Unternehmen agiler? Ich forsche seit Jahren nach der Wunderpille „Digitalikum forte plus C“. Einfach jedem Mitarbeiter in der Früh eine Tablette vor dem ersten Meeting geben und nach einer Woche sind die Schmerzen weg und alles ist agil. Das wäre schön. Leider beheben Tabletten häufig nur das Symptom. Für die agile Transformation kommen Unternehmen nicht um eine Veränderung Ihrer „Lebensgewohnheiten“ herum. Denn wenn ich etwas in meinen über 20 Jahren Erfahrung mit Technologie und Menschen gelernt habe: Es braucht Zeit, Geduld und Energie. Nun, das haben wir alles nicht so üppig rumliegen. Drum ist es umso wichtiger, an den richtigen Stellen zu beginnen. Sonst endet der Weg in einer teuren Sackgasse.

Vier Aspekte, die ich dabei besonders wichtig finde:

  1. Der eigene Weg: Agile Methoden sind schön und nützlich, aber sie sind auch nur Best Practices anderer. Es ist wichtig, dass Sie ihren eigenen agilen Weg finden, der zu Ihrem Unternehmen, Ihren Mitarbeitern und Ihren Rahmenbedingungen passt.
  2. Der erste Schritt: ins Handeln zu kommen, Dinge auszuprobieren und herauszufinden, was funktioniert und was nicht. Sich methodisch zu Beginn an Scrum, Kanban oder Lean zu bedienen ist sinnvoll – aber solch ein Framework einfach komplett über ein Unternehmen zu stülpen ist riskant. Fangen Sie lieber mit Teilaspekten daraus an, z.B. einem Daily-Meeting oder eine Retrospektive.
  3. Vom Projekt zum Mindset: Die Kultur oder das Mindset zu ändern klappt nicht von heute auf morgen und ist auch immer abhängig von den Mitarbeitern. Um Selbstverantwortung, Lösungsorientierung und Out-of-the-Box-Denken zu etablieren, braucht es eine kompetente Begleitung der fachlichen, aber vor allem der persönlichen Entwicklung der Mitarbeiter durch einen Coach. Diese Rolle kann bei entsprechender Expertise auch die Führungskraft einnehmen.
  4. Vorhandenes nutzen: Meiner Erfahrung nach steckt in den Unternehmen ein oft ungenutztes Potential für diesen Weg: Ihre Mitarbeiter, mit all ihren Ideen, Stärken, Wissen und Talenten. Heben und nutzen Sie diesen Schatz für Ihren Prozess.

Und jetzt?

Gestalten Sie Ihren Weg in diese digitale Zeit. Gehen Sie ihn konsequent weiter und nehmen Sie Ihre Mitarbeiter, Kollegen, Kunden und Lieferanten mit auf die Reise. Transformieren Sie ihr Unternehmen um in der digitalen Zukunft weiter erfolgreich zu sein bzw. erfolgreicher zu werden. Rufen Sie mich an – für Unterstützung, Ideen oder einfach zum Gedankenaustausch. Ein agiler Weg hat auch viel mit Gemeinsamkeit und Kommunikation zu tun. Ich freue mich von Ihnen zu hören.